Gemeinschaft: von der Nachbarschaft zum Netzwerk

Mediasch, 11.- 13. August 2017

Generalsynode 1545

Die Siebenbürger Sachsen waren nicht immer eine geschlossene Gemeinschaft. Eingewandert als Einzelgruppen, fanden sie erst in der neuen Heimat Schritt für Schritt zu dem gemeinsamen Rechtsstatus der "Saxones" zusammen. Der galt vor allem für die Siedler auf dem Königsboden, von "Broos bis Draas", aber in Teilen (etwa freie Pfarrwahl) auch für die ausserhalb dieses Territoriums Siedelnden. Damit unterschieden sie sich dauerhaft von den anderen mittelalterlichen Landständen, den ungarischen Adligen und den Szeklern, gleichwohl   auch von den rumänischen Bevölkerungsteilen.

Ein wichtiger Schritt zur Bildung von Gemeinschaft war der Zusammenschluß aller siebenbürger Sachsen in eine einzige kirchliche Struktur, unabhängig ob sie als freie Bauern in den eigenen Dörfern lebten, als Handwerker und Patrizier in den Städten oder als Leibeigene auf dem Gebiet der ungarischen Adligen. Die deutschen Landkapitel Siebenbürges - die in vorreformatorischer Zeit zu unterschiedlichen Bistümern gehörten -   schlossen sich  zu einer "Geistlichen Universität", dessen Vorsitzender der Mediascher Generaldechant war, zusammen. So entstand in mehreren Schüben die "Ecclesia Dei Nationis Saxonicae", welche eine selbst verantwortete Genossenschaftskirche als Eigenkirche, einem Element des mittelalterlich-germanischen Kirchenrechts war.

 

Es ging jedoch nicht nur um die Repräsentanz nach Aussen, sondern auch um Gestaltung nach Innen. Das genossenschaftliche Denken innerhalb der Gemeinden war immer deutlich sichtbar, mit Kirchenvätern, die dem Pfarrer beigeordnet waren und mit Nachbarschaften, die jedes Haus in die Gemeinschaft mit einbanden.

 

In der Zeit der Reformation wurde - in diesem Gemeinschaftsinn - das Reformationsbüchlein von Johannes Honterus, welchem nur eine lokale Bedeutung zugedacht war, im Jahre 1547 zur "Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen" umgewandelt und ausgeglichen und von der (weltliche) Nationsuniversität 1550 zur Richtschnur für die gesamte sächsische Nation erhoben. Diesem Beschluss ging der entscheidenende Schritt der Mediascher (kirchlichen) Synode von 1545 voraus, auf der die Vertreter der Kapitel sich geeinigt hatten, die Wittenberger Form der Reformation gemeinschaftlich anzunehmen.

 

Bild; Das Kirchenkastell Mediasch, um die Margarethenkirche herum.

Neue Gemeinschaft

Die Aussiedlung der Siebenbürger Sachsen - nach 1945 - wurde zwar jeweils individuell vorangetrieben und realisiert, trug aber im Hintergrund sehr wohl gemeinschaftliche Züge. Keiner wollte "der Letzte" bleiben, man wollte "miteinander" gehen. Einer zog den andern nach.

 

Das Jahr 1945 fand die - bis dahin relativ geschlossene Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen - zersplittert vor. Rund 10.000 junge Männer waren quer durch Europa in allierten Kriegsgefangenenlangern interniert. Noch einmal soviele hielten sich seit der Vorkriegszeit auf dem Gebiet Deutschlands auf. Rund  30.000 Nordsiebenbürger waren 1944 vor der Roten Armee geflohen und waren danach, vor allem, in Österreich gestrandet. In die andere Richtung wurden  im Januar 1945 rund 45.000 Männer und Frauen in die Kohlengruben des Donezk verschleppt. Zu Hause selbst hielten sich nunmehr nur Kinder und Alte auf.  Diese versuchten das Gemeinschaftleben aufrecht zu erhalten. 

 

Hatten die in Siebenbürgen Verbliebenen weiterhin die Kirchengemeinde und die Nachbarschaft als verbindende Klammer, so bildeten sich in Deutschland - als Träger von Gemeinschaft - bald eigene Organisationen der Siebenbürger Sachsen.  Es war zuerst das kirchliche "Hilfskomittee" (1947), aber dann auch die "Landsmanschaft" (1949) , die sich beide für die Integration am neuen Orte einsetzten. Später kamen die Heimatortsgemeinschaften dazu, die die juristische Form des örtlichen Zusammengehörigkeitsgefühles darstellen. Es war nur in Ausnahmen der Fall, daß Siebenbürger Sachsen zusammen lokal neu siedelten, wie etwa in  Drabenderhöhe in Deutschland oder Traun in Österreich. Zu einer gemeinsamen Umsiedlung nach Südamerika oder Kanada konnte man sich nicht durchringen. 

 

Da ab 1989 auch die Gemeinden in Siebenbürgen, durch die Auswanderung zur Diaspora ausgedünnt wurden, gib es heute keinen lokalen, demographischen Schwerpunkt mehr, sondern nur einen emotionalen. Allerdings bedeutet diese neue Situation - in der es nicht mehr um unmittelbare Nachbarschaft geht - nicht zwangsläufig das Ende der Gemeinschaft. Diese lebt heute in den unterschiedlichen Netzwerken weiter. Wir finden sie natürlich allererst in den Familienverbänden, aber auch in den Heimatortsgemeinschaften, in der Evangelischen Kirche oder aber in den  Verbände und Gruppen. Durch die gegenwärtige Mobilität und den Willen dabeizusehen, verdichtet sich Gemeinschaft immer wieder bei Festen, Feiern, Gottesdiensten, Arbeitseinsätzen und Heimattreffen.

 

Bild: Nachbarschaft in der Kirchenburg Tartlau

In Gemeinschaft über Gemeinschaft

Die Mediascher Station des Projektes "12 Apfelbäumchen für ein klares Wort" war nur ein Scheibchen der großen Mediascher Gemeinschaftsveranstaltung, die schon am Freitag begann und am Montag schloß. Es wurden im Schulterschluß von Evangelischer Kirchengemeinde, Mediascher Heimatorts-gemeinschaft und Stadt 750 Jahre seit der Ersterwähnung des Ortes begangen. Die Feierlichkeiten setzten im Laufe der Tage viele unterschiedliche inhaltliche und gemein-schaftliche Schwerpunkte. 

Am Sonntag wußten jedoch die Gottesdienstbesucher, die die Margarethenkirche bis hintenan füllten, dass es nun um Reformation und das berühmte Apfelbäumchen Luthers ging. Bischof Reinhart Guib sezte in seiner Predigt dazu alle ins geistliche Bild. Nach dem erhebenden Festgottesdienst schritt man geschlossen in den Pfarrgarten, wo unter Moderation von Pfarrer Gerhard Servatius-Depner der von Kindern schön geschmückte Apfelbaum gepflanzt wurde. In seiner kernigen Ansprache dazu unterstrich Altkurator Hugo Schneider den Wert der Gemeinschaft. 

Anschließend wechselten die Versammelten in das Gemeindehaus hinüber, wo die Ausstellung  des deutschen Kulturforums östliches Europa, "Reformation in Osten Europas: Siebenbürgen" auf Interessierte wartete. Zur Eröffnung sprach dann Thomas Sindilariu über Siebenbürgen, Mediasch und die Reformation.

Beim späteren Gemeinschaftsnachmittag im Greweln konnte man sich dann noch gut und lange über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Mediasch und den Mediaschern unterhalten.

 

Das Programm wird von der Evangelischen Kirchengemeinde Mediasch, der Heimatortsgemeinschaft, dem Demokratischen Forum der Deutschen in Mediasch und dem Demokratischen Forum der Deutschen in Siebenbürgen erstellt und getragen.

Die Stationen des Jahres 2017 werden von dem Freistaat Bayern, durch das Haus des Deutschen Ostens, München, gefördert.

Foto: Versammelte Festgemeinde mit Apfelbäumchen


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