Evangelische Gemeinden im Banat

Temeswar, Liebling, Nadlak 5.- 7. April 2019

Evangelisch im Banat

Von der Montan-Superintendentur der Evangelischen Kirche A.B. in Ungarn zur Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien


Bis 1918 Die protestantische Geschichte des Banats begann in der Reformationszeit. Der Temeswarer Ban serbischer Ethnie Peter Petrovits war ein starker Förderer der Reformation. Der Aufbau evangelischer Strukturen wurde jedoch unterbunden, da die Osmanen 1552 das Banat eroberten. 1718, mit dem Frieden von Passarowitz begann das evangelische Leben wieder. Der Landstrich wurde durch die Habsburger neu besiedelt. Die Siedlungspolitik war jedoch nicht protestanten-freundlich. Einzelne wurden trotzdem durch private Lokatoren ins Land gebracht. 1778 wurde das Banat von einer Habsburger Krondomäne zu einem Teil Ungarns. Mit Josef II und dem Toleranzpatent 1781 änderte sich die religiöse Situation. So konnte beim dritten Schwabenzug 1786 das evangelische Dorf Liebling gegründet werden. Durch neue Besiedlung und Binnenwanderung verstreuten sich die Evangelischen in Landgemeinden, Bergbauorte und Städte. Sie machten nie mehr als 10% der 320.000 Banater Schwaben und Berglanddeutschen aus. Die Kirchengemeinden waren multiethnisch und multikonfessionell: lutherisch, reformiert, uniert, deutsch, ungarisch, slowakisch. Die Gemeinden begannen sich im 19. Jh. zu etablieren, Kirchen und Schulen wurden gebaut und ausgestattet. Durch das ungarische Protestantenpatent von 1859 versuchte Wien allen Kirchen eine einheitliche Ordnung zu geben. Die deutschen evangelischen Gemeinden erhielten eine eigene Superintendentur. Das Patent konnte nicht durchgesetzt werden und so blieben die Banater in der ungarischen Montan Superintendentur. Durch den Ausgleich von 1867 wurde die evangelische Kirche zum Instrument der Staatspolitik und ihre Mitglieder blieben in ihrer Identität angefochten. Sie zogen kaisertreu in den großen Krieg.

            

Nach 1918 Am 21. Juni 1919 wurde der Landstrich zwischen Serbien, Rumänien und Ungarn geteilt. Damit wurden die Kirchengemeinden voneinander getrennt und mussten sich in ihren jeweiligen neuen Staaten einrichten. Die mehrheitlich deutschen und slowakischen Gemeinden schlossen sich der siebenbürgischen evangelischen Kirche an und bildeten den Banater Bezirk respektive – bis 1953 - das slowakische Dekanat Nadlak. Die ungarischen Gemeinden wurden Mitbegründer der neuen Synodal-Presbyterialen Kirche in Rumänien. Die evangelisch-deutschen Banater nutzten zunehmend die siebenbürgische Liturgie, behielten aber einige Eigenheiten. Die Zwischenkriegszeit radikalisierte auch diese Region. Die Banater Deutschen wurden Teil der Deutschen Volkgruppe in Rumänien und stellten Soldaten für den Krieg. Nach dem Frontwechsel Rumäniens flohen viele vor der Roten Armee in den Westen. Für die Verbliebenen folgte die Deportation in die Sowjetunion und in den Bărăgan, die Enteignung und Kollektivisierung. Zunehmend setzte auch die Aussiedlung nach Deutschland ein. Der eigene Kirchenbezirk wurde aufgelöst und dem Mühlbacher Bezirk angeschlossen. 1950 haben sich die Banater Schwaben in Deutschland zu einer Landsmannschaft und die Banater Berglanddeutsche 1981 zu einem Heimatverband zusammengeschlossen. In den letzten Jahren des Kommunismus waren nur die Pfarrstellen von Reschitza, Birda, Liebling und Semlak besetzt. Nach der Wende war die Ausdünnung der evangelischen Gemeinden im Banat so massiv, dass außer Gottesdiensten kein weiteres Gemeindeleben mehr möglich war.          

 

Gegenwart Im ganzen rumänischen Banat leben heute ca. 250 deutschsprachige Evangelische auf alle Kirchengemeinden verstreut. Sie werden von einem Pfarrer, Walter Sinn, aus Semlak betreut. Im Schulterschluss mit den römisch-katholischen Banater Schwaben kann durch das Demokratische Forum der Deutschen übergemeindliches Leben ein regionales kulturelles Leben organisiert werden. 2017 wird so in Reschitza ein Kirchentag zum Reformationsjubiläum gefeiert, der ökumenisch, interkulturell und international ist. 

Foto: Visitation Bischof Müller im Banat, 1951 (Archiv Teutsch)

Elisabeth Klamm

* 1935 Semlak, Rumänien

+ 2011 Böblingen, Württember

 

Liksa Klamm ware eine hoch motivierte Lehrerin. Mit der Mehrheit ihrer Gemeinschaft erduldete sie den real existierenden Kommunismus und reiste in der zweiten Lebenshälfte nach Deutschland aus. 


Elisabeth Klamm kam als drittes Kind der wohlhabenden Bauernfamilie Heinrich und Elisabeth Klamm, geborene Bartholf in Semlak, im ungarischen Komitat Arad, zur Welt. Ein erstes Kind der Familie stirbt kurz nach der Geburt. Wie viele Banater wächst sie und ihre Bruder Samuel dreisprachig auf, deutsch, rumänisch und ungarisch Der große Krieg trifft die Familie Klamm hart, obwohl in Semlak selbst keine Kriegshandlungen stattfinden. Vater und Knechte müssen als Soldaten an die Front, Pferde werden requiriert. Sie besucht die Volksschule der evangelischen Gemeinde Semlak. Die Mutter, inzwischen Witwe, setzt sich dafür ein, dass ihre Kinder eine gute Schulbildung erhielten. So kommt sie mit 13 Jahren nach Temeswar in die katholische Notre Dame Klosterschule. Sie wechselt nach Hermannstadt, in das Ursulinen-Mädchengymnasium. Nach dem Abitur studiert sie in Klausenburg – nach dem Wiener Schiedsspruch in Hermannstadt - Philosophie, Literatur und französische Sprache, wobei der Dichter Lucian Blaga ihr Dozent ist. Ihr Bruder Samuel wird in die rumänische Armee eingezogen und muss an die Ostfront. Sie heiratet Teodor Pasculovici, einen Semlaker Komilitonen der Medizin. Ihr Mann ist Serbe, zu Hause spricht man rumänisch. In dieser unruhigen Zeit hält sie sich von Politik fern. Um ihre kranke Mutter zu pflegen, kehrt sie nach Hause zurück. Aufgrund ihres serbischen Familiennamens wird sie 1945 nicht deportiert. Ihr Bruder entgeht dem Schicksal auch, indem er - in einem Heuwagen versteckt - nach Nadlak flüchtet. Der Familie wird der gesamte Grundbesitz und das Wohnhaus enteignet. Sie tritt – als einzige Lehrkraft mit Hochschule - in den Schuldienst der nunmehr staatlichen Schule in Semlak. Da muss sie unterschiedliche Fächer lehren, aber nie Philosophie. Ihre Ehe wird geschieden, eigene Kinder wird sie nicht haben. Sie kümmert sich aber – als „zweite Mutter“ - um ihre Schüler, bewirtschaftet den Garten und widmet sich der Handarbeit. Ihre Mutter pflegt sie bis zu deren Tode. Als es im Dorf keinen Deutschunterricht gibt, erteilt sie diesen privat und kostenfrei. Für alle im Dorf beginnt die Zeit der Wirtschaftskrise. Sie geht in Pension. Nach längerer Wartezeit erhält sie 1983 die Ausreisegenehmigung nach Deutschland, zu ihrem schon früher ausgewanderten Bruder Samuel. Sie darf nun frei reisen, besucht Klassentreffen und freut sich ihrer Verwandtschaft. Mit ihrem Bruder hilft sie durch genealogische Forschung die Geschichte Semlaks zusammenzustellen Ihr letzter Aufenthaltsort ist das evangelische Wohnstift „Haus am Marienplatz“ in Böblingen. 

 

„Als eine der ältesten Lehrkräfte hatte sie schon genug Erfahrung und konnte geschickt unseren Versuchen, uns gewisse Freiheiten zu nehmen, vorbeugen. Sie übernahm es, uns über Themen wie Benehmen, Höflichkeit und Respekt zu unterrichten. Auf unsere Hobbys nahm sie Einfluss: Förderung der Brieffreundschaften zu Schülern aus der DDR, Sammeln von Schauspielerfotos oder Briefmarken, abonnieren von Zeitschriften. Bei Sitzungsfahrten nach Arad versorgte sie uns mit Schulutensilien, aber auch mit Nagelscheren, Pflegelippenstiften oder Nylontüten für die Pausenjause.“ (Joachim Wagner)

 

Foto: Elisabeth Klamm mit Schulklasse. Archiv Schmidt

 

 

Ein feste Burg ist unser Gott: vom Walzer zum Bekenntnis der Hoffnung

Vom 5. – 7. April 2019 trafen im Rahmen des Projektes „Gesichter – Grenzen – Geschwister“ im Banat Gäste und Einheimische zusammen. Die Gäste konnten feststellen, dass ihnen zwar vieles im Vorhinein bekannt war, aber es dann letztendlich doch nicht ganz so war. Wie etwa Luthers urbekanntes Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“, welches in der Kirche von Liebling überraschend mit Gitarren-begleitung im Dreivierteltakt gesungen wurde und dann in der slowakischen Kirche zu Nadlak als Marsch, mit Bläsern und Trommelwirbel präsentiert wurde. Das konnte die Nicht-Banater dann doch sehr wundern, und nicht nur das.


Begonnen hat die Veranstaltungsreihe am Freitag im Temeswarer Adam-Müller-Gutenbrunn-Haus, wo das Banater Forum freundlicher Gastgeber war. Für das Haus begrüßte Forumsvorstand Erwin Tigla aus Reschitza und hob hervor, dass es die erste evangelische Veranstaltung in diesen Räumen sei. In die Ausstellung „Gesichter“ führte Bischof Reinhart Guib aus Hermannstadt ein und über die Kirchengeschichte der Region sprach Bischof Dr. Pal Lackner aus Budapest. Den größten Applaus erhielt allerdings der römisch-katholische Diözesanbischof Josef Csaba Pál, als er am Mikrofon gelassen verkündete: „Ich bin auch Teil der Evangelischen Kirche!“ Er leitete es von der Tatsache ab, dass 

Am Samstag wurde sodann in der einstigen schwäbischen evangelischen Großgemeinde Liebling eine Andacht durch Dechant Dr. Wolfgang Wünsch gefeiert. Dazu sag der Franz-Stürmer-Chor aus Reschitza. Kuratorin Eva Popescu, die die sehr wenigen Gemeindeglieder vor Ort vertritt, hatte die halbfertig renovierte Kirche – übrigens mit der höchsten Kanzel der Landeskirche - zum Glänzen gebracht. Nach den schon erwähnten Gitarrenklängen ging es zu dem Denkmal für die Kriegstoten, wo ersichtlich war, dass die Gemeinde allein im Ersten Weltkrieg 150 Verluste zu ertragen hatte. Nach kurzen Worten von Herta Daniel aus München legte die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien einen Kranz durch Dr. Berthold Köber (Flacht) und Hauptanwalt Friedrich Gunesch (Hermannstadt) nieder. Gleiches tat das Banater Forum. Danach ließ es sich die Kuratorin der 20 Seelen nicht nehmen, zu Tisch zu bitten.

Weiter stattete die „Gesichter“- Karawane dem Ort Kovacica einen offiziellen Besuch ab, wo der slowakische Senior des serbischen Banates Pavel Sklenar mit Stolz über seine Gemeinde berichtete. Überrascht zeigten sich viele, dass im Banat und der Batschka Kirchengemeinden mit über 4.000 evangelischen Seelen zu finden seien. Die gesamte Slowakisch-Evangelische Kirche A.B. in Serbien, mit Bischofssitz in Novi Sad, zählt 49.000 Mitglieder. Über deren Herausforderung erzählte Eva Hlavati vom Neusatzer Bischofsamt. Nicht nur der Glaube lässt sich durch Grenze nicht trennen, sondern auch die Gastronomie! Traditionelle Banater Speisen, bis hin zu den Fleischknödeln mit Kirsch-oder Krensoße mussten gekostet werden. Den Abschluss des Tages bildete für die Delegation der ungarische Teil des Banates.

Der Höhepunkt der „Gesichter“ war jedoch der sonntägliche Gottesdienst in Nadlak, einer Kirchengemeinde, die bis zum Jahre 1953 zu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien gehörte. Jetzt bildet sie – zusammen mit Butin und Vukova - das slowakische Dekanat innerhalb der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Rumänien. Der eindrückliche Einzug von Pfarrern, Kuratoren, Gästen und Bürgermeister fand auf „Ein feste Burg ist unser Gott“ mit slowakischem Text und unter Trommelwirbel statt. Über 250 Gemeindeglieder hatten sich eingefunden, um der gesungen Liturgie der drei Pfarrer Juraj Balint, Ludovit Bobcsok und Dusan Vanko, sowie der rumänisch gehaltenen Predigt Bischofs Dezsö Adorjani (Klausenburg) zu folgen. Dieser rief in unruhigen Zeiten zu moralischer Haltung auf. Wie anders sah der Ort heute für diejenigen aus, die ihn nur von der eiligen Durchfahrt zur Grenze kannten!

Der anschließende Vortrag des Wiener Professor Dr. Karl Schwarz zeigte noch einmal das Bunte des Banates - von israelitischen Schwaben zu katholischen Serben - auf. Das Podium über die Gegenwart und Zukunft des evangelischen Banats wurde von Bischof Reinhart Guib geleitet. Es kamen zu Wort Bischof Adorjani für die ungarischen Lutheraner, Pfarrer Sinn für die deutschen und Pfarrer Balint für die slowakischen. Ein heikles Thema, da alle drei Gemeinschaften mit Schwund und Desintegration kämpfen, die einen mehr, die andern weniger. Es wurden als Wege in die Zukunft die Begriffe Ökumene, rumänische Sprache, Laienengagement, Schengen und intensivere Zusammenarbeit genannt. Doch alles in allem war die Botschaft des Podiums keine Vorstellung von Lösungen sondern ein Rückgriff auf den Grund des Glaubens an Gott, der auch in aussichtslosen Situationen helfen kann. Unter Applaus deklamierte Pfarrer Balint: Cetate tare este Dumnezeul nostru! Hrad prepevný je Pán Boh náš !  Ein feste Burg ist unser Gott! Erős vár a mi Istenünk!”

Dass das slowkische Dekant Nadlak sich dann beim Essen mit Kovacica ein Fernduell um den Titel als beste Gastgeber geliefert hat, sei nur als Fußnote gesagt. Wichtiger jedoch die Tasache, dass Superintendent Wolfgang Rehner aus Graz mit seiner Tischrede die Stafette der „Gesichter – Grenzen –Geschwister“ übernahm, die am 24./25. Mai als Doppelveranstaltung in Graz (Österreich) – Gornj Slaveci (Slowenien) Halt macht, um in die Christlichen Begegnungstage 2020 einzuführen.  

 

 

Foto: Stefan Bichler


Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forum östliches Europa, Potsdam, durchgeführt, sowie am Sonntag mit dem evangelisch-lutherischen Dekanat Nadlak



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