Die evangelischen Gemeinden in Bessarabien

Sommer 2021

Die evangelischen Gemeinden in Bessarabien

Von dem I südrussischen Propstbezirk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland zu der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien


Geschichte bis 1918 Nach dem 7.Russisch-Türkischen Krieg und dem Frieden von Bukarest 1812 wechselte die Provinz Bessarabien vom osmanischen Reich in das des Zaren. Durch Ansiedlung christlicher Gruppen sollte das Land in Russland integriert und entwickelt werden. Seit 1813 kamen deutsche Siedler an, anfangs vor allem aus dem Herzogtum Warschau. Sie erhielten den Sonderstatus als „Kolonisten“, der ihnen solide Rechte zusicherte. Neben Ukrainern und Rumänen kam noch einmal eine bunte Mischung von kleineren Gruppen in das Land: Gagausen, Bulgaren, Juden, Roma, Lipowaner. Alle lebten auf Grundlage der religiösen und ethnischen Autonomie in guter Nachbarschaft. 1815 berief das erste gegründete evangelische Kirchspiel, Tarutino, einen Pastor, 1840 wurde in Sarata die erste evangelische Kirche gebaut. Es folgten weitere Kirchen, Schulen und Diakonieeinrichtungen. Bis 1842 entstanden 26 deutsche Mutterkolonien, die allerdings jede eine andere Tradition hatte. Die Deutschen machten 3% der Gesamtbevölkerung aus. Die meisten von ihnen waren evangelischer Konfession. Ihre religiöse Prägung war pietistisch. Die Gemeinden wurden in die 1835 gegründete Evangelisch-Lutherische Kirche Russlands eingegliedert und dort dem evangelisch-lutherischen Konsistorium in St. Petersburg unterstellt und dem I. südrussischen Propstbezirk, mit Sitz in Odessa zugeteilt. Die ersten Pastoren kamen vor allem aus dem Baltikum. Seit Ende des 19. Jh. gab es dann eigene Kandidaten, welche in Dorpat studierten. Die russische Revolution schnitt die Gemeinden von ihrer Kirchenleitung in St. Petersburg ab.

Geschichte nach 1918  1918 entschied sich der „Landesrat“ Bessarabiens zu dem Anschluss an Rumänien. Das evangelische Konsistorium in Tarutino suchte in der neuen Situation Rückhalt bei der evangelischen Kirche in Siebenbürgen. Die Eingliederung war jedoch schwierig, da die kirchlichen Traditionen sehr unterschiedlich waren. Sonderregelungen mussten gefunden werden. 1940 gab es in Bessarabien 142 evangelische Kirchengemeinden. Durch das besondere Amt des Küsterlehrers wurde die Abhaltung von regelmäßigen Gottesdiensten an allen Orten gewährleistet. In den Siedlungen gab es dazu Brüdergemeinschaften, die unter Leitung eines „Stundenhalters“ Erbauungsstunden hielten. Durch diese Bewegung wurde die Erweckungsfrömmigkeit wach gehalten. Abgesichert durch den Hitler-Stalin-Pakt nahm die Rote Armee am 28. Juni 1940 die Region in Besitz. Darauf verließen im Herbst 1940 ca. 93.500 Bessarabiendeutsche ihre Heimat. Sie wurden im Wartheland und in Danzig-Westpreußen angesiedelt. 1945 flohen sie von hier und kamen in den Südwesten Deutschlands, nach Niedersachen aber auch in die sowjetische Besatzungszone. Die Bessarabiendeutschen wurden kirchlich Teil der lokalen Gemeinden, gründeten aber 1946 das Hilfskomittee der evangelisch-lutherischen Kirche in Bessarabien und 1949 die „Gemeinschaft der deutschen Siedler aus Bessarabien“, später „Landsmannschaft“. Die Region Bessarabien war zwischen 1941 und 1944 wieder unter rumänische Herrschaft gekommen. Die freigewordenen deutschen Siedlungen wurden durch andersnationale Bevölkerung aufgefüllt. Die evangelischen Kirchenbauten nahmen im Krieg schweren Schaden oder wurden dann durch das - inzwischen instaliierte - Sowjetregime zweckentfremdet. Bessarabien wurde aufgeteilt, auf die Moldavische Sozialistischen Sowjetrepublik und auf die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik. 1989 erklärten beide Staaten ihre Unabhängigkeit.

Gegenwart In den ehemaligen evangelisch-deutschen Gemeinden konnten die  Evangeliumschristen-Baptisten Fuß fassen, die auf die „Stundisten“-Bewegung zurückgehen. Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche der Ukraine betrachtet den ukrainischen Teil Bessarabiens als ihr Kirchengebiet, jedoch ohne Gemeinden. Lediglich Ismail ist Predigtort. 

Lutherische Kirche in Borodino

Foto: Archiv Verein der Bessarabiendeutschen

Imanuel Baumann

* 1900 Gnadental (Doliniwka), russisches Bessarabien

+ 1974 Hannover, Niedersachsen

 

Imannuel Baumann war der zweite und letzte Oberpastor in Bessarabien und gründete nach dem zweiten Weltkrieg in Deuschland das Hilfskomitee der ev.-luth- Deutschen aus Bessarabien und der Dobrudscha.


 Immanuel Baumann wird am 21. Dezember 1900 alten Stils als Sohn eines Bauern und Stundenleiters in Gnadental/Bessarabien (heute Doliniwka/Ukraine) geboren. Geprägt von der pietistischen Frömmigkeit seiner Eltern Johann Friedrich Baumann und Christine geborene Necker, besucht er nach Abschluss der örtlichen Schule das Deutsche Knabengymnasium in Tarutino, wo er zunächst Russisch, dann Rumänisch als erste Fremdsprache lernt. Dort legt er die Reifeprüfung mit Erfolg ab.

Da die Universität in Dorpat/Russland nach dem Krieg unerreichbar ist, studiert er in Tübingen und später, auf dem Höhepunkt der Inflationszeit, in Leipzig Theologie. So kommt er in Berührung mit den damaligen deutschnationalen Strömungen in der Studentenschaft. In Wien schließt er das Studium ab und ist für ein Jahr Vikar der Evangelischen Kirche A. B. in Österreich. Er kehrt zurück nach Bessarabien und wird 1927 Pastor-Adjunkt bei dem ersten Oberpastor Bessarabiens, Daniel Haase, in Tarutino. 

 

Nach der Heirat mit Else Schulz aus Basyrjamka  – aus der Ehe werden zwei Söhne hervorgehen – wird er Pastor des Kirchspiels Klöstitz (heute Weselya Dolina). Nach dem Niedergang von Oberpastor Haase übernimmt er 1936 dieses Amt, in einer Zeit in der die Anhänger der NS-Erneuerungsbewegung schon fast alle Sitze in den Gremien inne haben. Er ist kein Anhänger, versucht aber die kirchliche Einheit zu bewahren sowie die Verbindung mit allen Kirchengebieten, als Mitglied des Landeskonsistoriums in Hermannstadt, zu stärken.

 

 

Zusammen mit allen Deutschen wird die Familie Baumann nach Deutschland umgesiedelt. Immanuel betreut darauf im Warthegau sämtliche Umsiedler, ist aber als Pastor und Superintendent im Konflikt mit der ”Partei”. Er wird für den „Volkssturm“ verpflichtet, kann aber Januar 45 seiner Familie zur Flucht verhelfen. In letzter Stunde setzt auch er sich nach Württemberg ab. Dort betreut er ein Lazarett, danach ein amerikanisches Internierungslager. Bald wird er die Kontaktstelle seiner verstreuten Landsleute.

Er übernimmt die Pfarrstelle von Hemmingen/Leonberg. Von der Evangelischen Kirche in Deutschland erhält er 1946 gleichzeitig die Aufgabe, ein Hilfskomitee für die ev.-luth. Bessarabien- und Dobrudschadeutsche zu gründen. So organisiert er den Suchdienst, startet eine Fragebogenaktion zur Erfassung der Landsleute, gibt ein Mitteilungsblatt heraus und verhandelt 1952 – letztlich erfolglos - in Paraguay und Argentinien über eine mögliche kollektive Auswanderung. 1948 wird er in Hannover zum Reiseprediger für bessarbiendeutsche Flüchtlinge berufen, und wird später Landesflüchtlingspastor.

Im gleichen Jahr,  in dem er das Bundesverdienstkreuz am Bande erhält, übernimmt er die Pfarrstelle an der Gartenkirche in Hannover, wo auch das Büro des Hilfskomitees ist. Hier lebt er sich wieder in die Gemeindearbeit ein und trägt zur weiteren Wiederherstellung der kriegszerstörten Kirchengebäude bei. 1962 wechselt er zur St. Nikolaikirche, woher er 1967 infolge schwerer Gesundheitsschäden in den Ruhestand tritt. Die Leitung der Bessarabiendeutschen überträgt er 1969 in jüngere Hände.

 

 

Foto: Archiv Verein der Bessarabiendeutschen

Das Programm

noch nicht festgelegt


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Foto: Stefan Bichler


Die Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa durchgeführt.



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